Der Branchenprimus propagiert ein prominentes Gütesiegel: „Amazon’s Choice“ – eine Kaufempfehlung, die Onlineshoppern die Qual der Wahl ersparen soll. Gepappt wird es auf angeblich „top bewertete, sofort lieferbare Produkte zu einem günstigen Preis“. Doch die Kriterien für die Auswahl der Artikel sind nebulös und fragwürdig. Eine Stichprobe der Verbraucherzentrale NRW zeigt: Wer Amazons Empfehlung vertraut, verpasst oft bessere Offerten.
Er taucht immer häufiger an Produkten auf: ein schwarzer Balken, in dessen Innerem „Amazon’s Choice“ in weiß und orange zu lesen ist. Seit nunmehr zwei Jahren kennzeichnet der Branchenprimus einen Teil seines hiesigen Sortiments mit dem Qualitätslabel.
Laut einer Studie kann es den Umsatz dramatisch pushen: „bis zu 300 Prozent“ würden sich Artikel mit Choice-Signet besser verkaufen.
Was hinter dem Siegel steckt, poppt auf, wenn beispielsweise der Cursor über den Balken fährt. Empfohlen würden „top bewertete, sofort lieferbare Produkte zu einem günstigen Preis“. Präziser mag Amazon partout nicht werden, weder im Kleingedruckten noch per Pressestelle.
Dabei gibt es massiven Erklärungsbedarf. Etwa bei einer Tigersäge von Hitachi. Das „top-bewertete“ Teil basierte auf gerade mal sieben Rezensenten, die zusammen vier von fünf Sternen vergeben hatten, und kostete 140,74 Euro.
Zeitgleich war die Säge jedoch über den Preissucher Idealo als Direktkauf mit prompter Lieferung für 99 Euro bestellbar. Ein „Choice“- geadeltes Smart-TV von LG für 783 Euro war ebendort sogar satte 167 Euro billiger.
Dass das keine Ausreißer sind, belegt eine Stichprobe der Verbraucherzentrale NRW. Ohne große Mühe fanden sich 50 Amazon-Artikel, die aus fragwürdigen Gründen mit dem schwarzen Balken geschmückt waren.
Das Ergebnis: Fast drei von fünf Choice-Produkten (29 von 50) schwächelten beim Punkt „top-bewertet“. Sechs beispielsweise konnten nicht mal mit vier von fünf möglichen Sternen aufwarten.
Zudem erwies sich der Sternenglanz oft eher als trübe Funzel. Bei mehr als der Hälfte der Probanden beruhte er auf weniger als 50 Kommentaren. Ob Adventskalender, Rucksack oder PS4-Game: Neun Artikel brachten es nicht mal auf zehn Rezensionen. Im schlechtesten Fall waren es sogar nur drei.
Ebenso merkwürdig: Bei fünf Choice-Artikeln im Check fehlte das „Prime“-Etikett. Das steht bei Amazon für schnelle Lieferung, oft schon einen Tag nach Kauf. Bis zu vier Tage dagegen sollte die Lieferung einer Karaoke-Maschine mit Choice-Siegel dauern. Käufer einer ausgezeichneten Mikrowelle wie einer Hi-Fi-Anlage mussten sich sogar bis zu acht Tage gedulden.
Ein großes Fragezeichen blieb auch beim Punkt „preisgünstig“. Denn insgesamt 34 der 50 Produkte waren außerhalb des Amazons-Imperiums billiger erhältlich, und das oft deutlich. Im Schnitt lagen die Choice-Preise um gut 11 Prozent über den besten Ergebnissen von Preissuchmaschinen.
Nicht einmal im Amazon-Reich selbst waren viele Choice-Angebote top. 17 mal fand sich auf dem Marketplace eine günstigere Alternative, die Cent- und Euro-Beträge einsparte – in der Spitze waren es gut vier Euro bei einer Wasserrutsche für 16,18 Euro.
Irritierend auch: Für 13 Choice-Produkte im Check existierte lediglich ein einziges Angebot – entweder von Amazon direkt oder einem Marketplace-Händler.
Damit nicht genug. Wer Logik hinter Amazons Empfehlungen sucht, kann oftmals schier verzweifeln. So kostete ein Adidas-Sweatshirt in Größe S mit Choice-Siegel 25,95 Euro.
Derselbe Anbieter vertickte bei identischen Konditionen (Bewertungen, Versand) das Shirt in Größe XL für 3,15 Euro weniger – ohne Siegel.
Bei einem T-Shirt im 5-er Pack wiederum waren zwei Farbvarianten bei ansonsten identischen Konditionen vom Auszeichnungs-Wirrwarr betroffen. Die Variante ohne Siegel kam obendrein fünf Euro billiger (26,95 Euro).
Chaos registrierten die Tester auch in der Suchmaske. So fehlte etwa in Ergebnislisten das Logo, der Klick aufs Produkt brachte es jedoch zum Vorschein. Auf mobilem Gerät wie dem iPad war es mitunter umgekehrt.
Die Suche nach „Schnürsenkel“ wiederum führte zu einem Choice-Produkt. Die Eingabe „Schuhbänder“ brachte zwar den identischen Artikel auf den Bildschirm, nur ohne Kaufempfehlung.
An solchen Ärgernissen und Skurrilitäten stört sich eine offenbar überhaupt nicht. Alexa heißt die sprachgesteuerte Assistentin von Amazon, die im Haushalt technikbegeisterter Kunden beim Onlineshopping helfen soll. Ihre Kernkompetenz: Auf Zuruf kann sie den Warenkorb füllen.
Das Choice-Siegel, schwärmt die Pressestelle, lässt „Alexa tolle Angebote finden, wenn ein Kunde kein bevorzugtes Produkt hat, das er oft kauft“. Im Klartext: Choice-Produkte landen bei Alexa besonders häufig im Warenkorb – „um den Einkauf für unsere Kunden zu vereinfachen“.
Quelle: Verbraucherzentrale NRW